Die Zeit im Bild 2 des 8. September brachte die verkehrspolitischen Wahlversprechen der SPÖ Wien in den Fokus. Anchorman Armin Wolf befragte Bürgermeister Michael Ludwig (SP) zum Vorhaben, die Radwege zu verzehnfachen, und zu jenen fünf Radverkehrsmaßnahmen im SP-Wahlprogramm, die exakt den Forderungen von #PlatzFürWien entsprechen: sie seien „wortwörtlich von einer Bürgerinitiative abgeschrieben“ und würden „130.000 bis 180.000 Parkplätze kosten“, so Wolf.
Das neue SP Wien Wahlprogramm 2020 macht den radelnden Wiener*innen tatsächlich ein großes Versprechen: den Radwegeanteil an der Gesamtverkehrsfläche Wiens auf 10% zu steigern! Momentan liegt er nur bei einem Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die SP Wien die Fahrrad-Forderungen von Platz für Wien exakt in ihr Wahlprogramm (alle Details dazu hier). übernommen. Wir haben den Flächenbedarf für jene fünf Forderungen, die die SP Wien übernommen hat, sowie für die SP-Versprechen für Baumpflanzungen berechnet. Die Berechnungsdetails lagen Armin Wolf vor und findet ihr unten.
Insgesamt ergibt sich aus diesen SP-Maßnahmen der Bedarf, innerhalb von 10 Jahren 137.790 bis 184.680 Stellplätze an der Oberfläche umzuverteilen. Platz für Wien begrüßt diese Wahlversprechen: „Anstatt kurzsichtiger Politmanöver rund um Parkplätze und Minimalbudgets braucht Wien rasch den großen verkehrspolitischen Wurf, um eine klimagerechte, kindergerechte, flächengerechte Stadt zu werden!“, heißt es auf unserer Website. „Dass die SP unsere Radforderungen exakt übernommen hat, ist ein erster großer Erfolg für uns und unsere bisher 40.000 Unterstützer*innen! Nur muss die Partei, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch 2021 wieder den Bürgermeister Wiens stellen wird, diese Versprechen rasch umsetzen. Wir haben dafür den passenden 10-Jahrs-Plan bereits vorgelegt.“, sagt dazu Sprecherin Barbara Laa.
Um die Anzahl an Parkplätzen abschätzen zu können, die für die SPÖ-Radforderungen notwendig sind, wurden folgende Annahmen getroffen. Daraus ergibt sich der unten berechnete Platzbedarf.
1. ein Längsparkplatz hat eine Länge von 5 Metern
2. auf einen Kfz-Parkplatz passen 10 Fahrräder an 5 Fahrradbügeln
3. die Radinfrastruktur wird nicht zulasten von Bäumen oder Fußgängerflächen errichtet
4. auf den Hauptstraßen werden beidseitige Einrichtungsradwege errichtet (die aus Verkehrssicherheitsgründen lt. geltenden Richtlinien [1] bevorzugte Anlageart von Radwegen)
5. Einrichtungsradwege benötigen in etwa so viel Platz wie eine Längsparkspur
6. Zur Bereinigung um Kreuzungsbereiche und Einmündungen entlang von Hauptstraßen, Fahrradstraßen und Einbahnen, an denen keine Stellplätze entfallen würden, kann ein Abminderungsfaktor von 0,9 angenommen werden.
Auf Hauptstraßen besteht in der Regel nur die Möglichkeit, Radverkehrsinfrastruktur zulasten von Fahrspuren (bei mehrspurigen Richtungsfahrbahnen) bzw. von Parkspuren zu errichten. Unter der Annahme, dass bei ¼ der Hauptstraßenlänge die Errichtung von Radwegen statt Fahrspuren möglich ist und bei ¾ in den Parkspuren, sind also in 225 km Hauptstraßen beidseitige Einrichtungsradwege zu errichten, was 450 km Längsparkspur bzw. 81.000 Parkplätzen entspricht. Selbst bei defensiver Abschätzung von ½ Fahrspur und ½ Parkspur würden immer noch 54.000 Parkplätze zu Radwegen umverteilt werden müssen.
Fahrradstraßen dienen der sicheren Radverkehrsführung im unterrangigen Straßennetz, das in Wien v.a. aus Einbahnen besteht. Fahrradstraßen müssen bestimmte Qualitätskriterien hinsichtlich Beschilderung, Markierung und Fahrbahnbreite (4,5 m bei angrenzender Parkordnung) erfüllen [2]. Unter der Annahme, dass 1/3 der zukünftigen Fahrradstraßen diese Anforderung bereits erfüllen (also aktuell Zweirichtungs-Kfz-Verkehr oder breite Einbahnen), wäre der Entfall einer Parkspur in ca. 34km Einbahnen notwendig, was 6.120 Parkplätzen entspricht. Bei defensiver Schätzung entfällt in der Hälfte der Straßen die Parkspur, was 4.500 Parkplätzen entspricht.
Einbahnöffnungen sind eine einfache und kostengünstige Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs und verhindern Konflikte zwischen FußgängerInnen und RadfahrerInnen am Gehsteig. Die geltenden Richtlinien [1] schreiben eine Mindestfahrbahnbreite von 3,5 m bei Längsparkern vor, um eine Einbahn für den Radverkehr öffnen zu können. In Wien werden unter bestimmten Voraussetzungen Einbahnen schon ab knapp 3m Breite geöffnet (Sternwartestraße, Zieglergasse). Unter der Annahme, dass in 50 % der Einbahnen eine komplette Parkspur verwendet werden müsste und in 50 % Ausweichstellen ausreichen (2 Parkplätze Ausweichstelle je 10 Parkplätze) (in Summe also 60 % Stellplatzentfall je Länge Einbahn), würden 225 km Längsparkspur zu radwegen werden, was 40.500 Parkplätzen entspricht. Selbst bei 50% Einbahnöffnungen ohne Stellplatzentfall würden noch 33.750 Parkplätze für die restlichen Einbahnöffnungen benötigt.
Radschnellverbindungen – in Wien Radlangstrecken genannt – stellen wichtige bezirksübergreifende Radverbindungen u.a. für PendlerInnen dar. Um ein zügiges Vorankommen zu gewährleisten, müssen sie bezüglich Breite, Streckenführung u.Ä. Qualitätskriterien erfüllen, die über die geltenden Richtlinien hinausgehen [3]. Unter den gleichen Annahmen wie für die Radwege auf Hauptstraßen (¾ der Länge statt Parkspuren) werden dafür 29.700 Parkplätze benötigt, im defensiven Fall (½ statt Parkspuren) 19.800.
Fahrradstellplätze werden nicht mehr zulasten von Gehsteigen errichtet [4]. Unter der Annahme, dass ¼ der Radabstellanlagen in Bereichen errichtet wird, die ohnehin nicht beparkt werden dürfen (Sichtbeziehungen im Kreuzungsbereich), werden ¾ in der Parkspur errichtet. Für diese 54.000 Fahrradstellplätze werden somit 4.860 Kfz-Parkplätze benötigt. Wird nur die Hälfte in der Parkspur errichtet, entspricht das 3.240 Parkplätzen.
Dazu kommen noch 22.500 Parkplätze in den nächsten 5 Jahren, die durch die im SPÖ-Wahlprogramm angekündigten 4.500 Stadtbäume pro Jahr ersetzt werden.
Insgesamt ergibt sich aus dem SP-Wahlprogramm der Bedarf, 137.790 bis 184.680 Stellplätzen an der Oberfläche für diese SP-Maßnahmen umzuverteilen. Zur Einordnung: die flächenhafte Parkraumbewirtschaftung in den Bezirken 1-12 und 14-20 umfasst ca. 313.000 gebührenpflichtige Stellplätze [5], dazu kommen die großen Bezirke 13 sowie 21-23 ohne Parkraumbewirtschaftung.
[1] RVS Radverkehr
[2] https://www.wien.gv.at/verkehr/radfahren/bauen/anlagearten/fahrradstrasse.html [3]https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/verkehrsplanung/radwege/langstrecken/qualitaetskriterien.html#anlage
[4] https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008390b.pdf
[5] https://www.wien.gv.at/verkehr/parken/entwicklung/kennzahlen.html