Quo vadis, Leopoldstadt?

Quo vadis, Leopoldstadt?

Die neuen politischen Rahmenbedingungen und erste Ankündigungen der Verkehrsstadträtin und des Bezirksvorstehers der Leopoldstadt lassen einen gewaltigen Backlash autozentrierter Ideologie befürchten. Wird sich die SPÖ auf Stadt- und Bezirksebene ihrer Wahlversprechen besinnen oder verschwinden sämtliche bereits vorliegenden Pläne zur menschengerechten Umgestaltung großer Straßenzüge im Papierkorb?

How it started ...

Im Wahlkampf hatte die SPÖ noch die 5 Radverkehrsforderungen von Platz für Wien 1:1 übernommen und die Reduktion von Abstellmöglichkeiten für Pkw im öffentlichen Raum versprochen. In das Koalitionsabkommen haben es nur mehr sehr vage, nicht quantifizierte Formulierungen geschafft – aber ein Lichtblick: auch 20 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für das Radwegeausbauprogramm.

SPÖ Wahlprogramm Wien Wahl 2020

... how it's going

BezirksblattIn der Praxis bleibt von den Ankündigungen vorläufig nichts übrig. Der unlängst fertiggestellte, dringend notwendige Rad-Lückenschluss am Tabor sorgt bei der SPÖ im Bezirksblatt für „blankes Entsetzen“ [3]. Der SP-Bezirksvorsteher Alexander Nikolai kündigt an, einige Parkbuchten zurückgewinnen zu wollen, „vergisst“ aber zu erwähnen, dass in unmittelbarer Nähe gerade erst die Garage Volkertstraße mit 340 Parkplätzen eröffnet wurde.

In der Brigittenauer Parteizeitung der SPÖ poltert der neue Vorsitzende des Gemeinderatsausschusses für Verkehr Erich Valentin mit Falschaussagen gegen den geschützten Radweg („Hier wurde Autofahrern geschadet, ohne einen Nutzen für andere Verkehrsteilnehmer*innen zu schaffen“) und verspricht, sich in der Brigittenau nicht an dem Beispiel orientieren zu wollen [4]. Der 20. Bezirk wird also noch länger Schlusslicht bei bei menschen- und klimagerechter Straßengestaltung bleiben.

Newsletter SPÖ Brigittenau

"Nord-Süd-Achse für Radler" wird ein Flop mit Anlauf

Unmittelbar nach der Machtübernahme in der Leopoldstadt kündigte der neue SP-Bezirksvorsteher einen „verkehrspolitischen Neustart im Bezirk“ an: sowohl das fertige Gestaltungskonzept für die Praterstraße, das Ergebnis eines umfangreichen Beteiligungsverfahrens war, als auch fertigen Pläne für die Lassallestraße, die einen zweiten Zweirichtungsradweg und damit die Erschließung des Stuwerviertels und den Lückenschluss zwischen Praterstern und Reichsbrücke vorsahen, wurden zurückgezogen. Die Machbarkeitsstudie, die den möglichen Rückbau von je einer Fahrspur pro Richtung auf der Praterstraße nachweist, verschwand vorsorglich von der Homepage der Stadt Wien. Die Verkehrsstadträtin Ulli Sima stoppte das Projekt unter einem fachlich nachweislich falschen Vorwand („die Wegnahme einer Autospur ist auf dieser so stark genützten Durchzugsstraße nicht machbar“).

Und auch der Praterstern, die Verbindung von Lassalle- und Praterstraße, wird nur kosmetisch behübscht – ein begrünter Ring solle als „psychologischer Lärmschutz“ dienen. Nicht angetastet werden hingegen die 4-6 Kfz-Spuren, die den Praterstern einschnüren und als Aufenthaltsort wenig attraktiv erscheinen lassen. Eine Reduktion der Fahrspuren würde die Entflechtung von Rad- und Fußverkehr und somit eine wesentliche Verbesserung für beide Gruppen ermöglichen. Ohne bleibt die geplante „Aufenthaltsoase“ ein überdimensionierter Kreisverkehr.

Die Leopoldstadt wird zum Spielball der transdanubischen Autofraktion der SPÖ, die unter Ernst Nevrivy, dem Bezirksvorsteher der Donaustadt, keinesfalls die bequeme Durchfahrt ins Zentrum aufgeben möchte. Die Anwohner*innen-Interessen des Zweiten Bezirks werden damit von ihrem eigenen Bezirksvorsteher verraten, damit der wesentlich mächtigere Bezirksnachbar Klientelpolitik betreiben kann.

Fehlender Mut

In der Leopoldstadt zeichnet sich die Taktik der SPÖ besonders deutlich ab. Unter dem Vorwand, keinesfalls Verkehrsteilnehmer*innen gegeneinander ausspielen zu wollen, werden sämtliche unter grüner Verkehrsstadträtin und Bezirksvorsteherin auf den Weg gebrachten Projekte eingestampft, die eine Umverteilung des öffentlichen Raums zugunsten des Fuß- und Radverkehr (und damit zwingend zulasten des Kfz-Verkehrs) vorsahen. Nur die kosmetischen Maßnahmen am Praterstern wurden mit marginalen Änderungen von den grünen Vorgängerinnen übernommen. „Bigott“, also scheinheilig, nennt das der deutsche Mobilitätsforscher Stephan Rammler. Fehlende „Deprivilegierung des Autofahrens“ nennt es unsere Sprecherin Barbara Laa.

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Quellen