Ernüchternd: nach 100 Tagen Rot-Pink zieht Platz für Wien eine erste Bilanz

Die neue Koalition lässt sich Zeit, bei der Umsetzung von wichtigen Großprojekten wie dem Umbau der Praterstraße, der Parkraumbewirtschaftung oder der autofreien Innenstadt. Auch bei den Plänen zum Radwegebau und dem angekündigten Klimaschutzgesetz heißt es: bitte warten! Währenddessen lassen sich auf Bezirksebene teils positive Entwicklungen, teils erschreckende Rückschritte beobachten. Die bisherige Kommunikation der Verkehrsstadträtin zeigt Scheu vor Konflikt und Veränderung, die jedoch notwendig sind für eine gerechte Umverteilung des öffentlichen Raums. “Wir sind enttäuscht über diese visionslose Herangehensweise” so Platz für Wien-Sprecherin Barbara Laa.

Große Taten lassen auf sich warten

Während die Ankündigungen im Koalitionsabkommen noch Anlass zur Hoffnung gegeben haben (unsere Analyse dazu könnt ihr hier nachlesen), wird nun auf Zeit gespielt. Es ist anscheinend kein übergeordnetes Gesamtkonzept zu einer flächengerechten, kindgerechten und klimagerechten Umgestaltung des öffentlichen Raums im Sinne von Platz für Wien geplant. Die Koalitionspartner versuchen Wien als “Klimamusterstadt” zu positionieren. Doch dabei werden reine Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen, wie etwa die Begrünung am Praterstern, als Klimaschutz kommuniziert, ohne den Autoverkehr als Verursacher zu adressieren und die überfällige Umverteilung von Verkehrsflächen in Gang zu bringen.

Kosmetische Kommunikation von Ulli Sima

Die großen Hebel des Klimaschutzes werden also erstmal nicht umgelegt. Das zeigt sich auch in der Kommunikation der neuen Verkehrsstadträtin Ulli Sima, der es bisher nicht gelingen mag Rad- und Fußweg-Projekte als das zu präsentieren was sie sind: fortschrittliche, dringend notwendige Veränderungen der Stadt, die für die aktuellen Probleme der Pandemie und der Klimakrise Lösungen bieten. Stattdessen werden kosmetische Maßnahmen und Freizeitprogramm abseits des Verkehrs als große Würfe vermarktet. Da ist noch viel Luft nach oben!

Rückschrittliche Verkehrspolitik in der Leopoldstadt

Erste Schritte wurden im 2. Bezirk gesetzt: nach wenigen Tagen im Amt werden dort schon Wahlversprechen und Koalitionsübereinkommen gebrochen. So wurde zum Beispiel bei der Umgestaltung der Praterstraße “auf die Stopp-Taste gedrückt” – nach Aussagen Simas im Interview mit der Krone zum Erhalt einer Fahrspur, deren Entbehrlichkeit bereits in einer Machbarkeitsstudie belegt wurde. Wellen geschlagen hat auch der geschützte Radstreifen am Tabor, der noch unter der Grünen Bezirksvorstehung errichtet wurde. BV Nikolai (SPÖ) drückte in der Bezirkszeitung sein “blankes Entsetzen” darüber aus. So wird das nichts mit der Klimamusterstadt!

Erfreuliche Projekte in anderen Bezirken

Doch auch erfreuliche Projekte wurden angekündigt: ein Teil der Thaliastraße in Ottakring soll zur Begegnungszone werden, der Neue Markt in der Innenstadt bekommt statt Parkplätzen Bäume und Sitzgelegenheiten. Auch der Praterstern soll stark begrünt werden und viele Bäume bekommen – Minuspunkte gibt es hier aber für die Beibehaltung der zahlreichen Fahrspuren rundherum. In Döbling forcieren NEOS, SPÖ und Grüne gemeinsam den Bau des Radweges auf der Krottenbachstraße (gegen den Willen des ÖVP-Bezirksvorstehers) und in Hernals wurde eine neue Schulstraße eröffnet.

Progressive Kräfte fordern Finanzierung

11 der 23 Bezirksvorsteher*innen unterstützen aktuell die Forderungen von Platz Für Wien. In unseren zahlreichen Politik-Gesprächen hören wir oft dasselbe Problem: das Budget für neue Fuß- und Radwege ist zu klein. Aktuell gibt es dringende Forderungen an die Stadt zur Finanzierung der Verkehrsberuhigung rund um den neuen IKEA im 15. Bezirk sowie für die Umgestaltung des Gersthofer Platzls in Währing. Stadträtin Ulli Sima ist dazu aufgefordert den progressiven Bezirksvorsteher*innen finanzielle Möglichkeiten zu bieten um ihren Grätzl-Einwohner*innen ein klimafittes, verkehrsicheres Wohnumfeld zu bieten – großflächig und zeitnah!

Quelle Titelbild: Krone.at