Chancen durch die Parkpickerl- Ausweitung: Wird die Stadt sie nutzen?

Chancen durch die Parkpickerl- Ausweitung: Wird die Stadt sie nutzen?

Seit 1. März ist die Parkraumbewirtschaftung in Wien in allen Bezirken angekommen. Mit dem Start der wienweiten Kurzparkzone rechnet die Stadtverwaltung damit, dass 76.000 Parkplätze nicht mehr benötigt werden, da bis zu einem Drittel der Autostellplätze in den neuen Pickerlbezirken Hietzing, Floridsdorf, Donaustadt, Liesing und großen Teilen Simmerings frei bleiben. Die Vorhersage leergeräumter Straßenparkplätze wurde in den ersten Märztagen bestätigt. Bei den Ankündigungen, was mit dem freigewordenen Platz geschehen solle, ließ die SPÖ dann aufhorchen: sie übernahm unsere Forderungen!

Verkehrsstadträtin Ulli Sima im ORF: „Dadurch, dass nun deutlich weniger Pendler*innen mit dem Auto nach Wien kommen, wird das gesamte Verkehrsaufkommen in der Stadt drastisch reduziert. Anrainer*innen finden nun leichter einen Parkplatz, und der restliche neu gewonnene Platz bietet Raum für Neugestaltungen“. Per Twitter präzisierte die SPÖ Wien, dies bedeute “100km Radwege, 290km verbreiterte Gehsteige, 10.000 Bäume und 200 Bankerl.” Exakt jene Zahlen, die PlatzFürWien schon am 24. Juni 2021 der Verkehrsstadträtin vorgeschlagen hatte:

“Auf 69 ha ließe sich folgendes umsetzen:

  • 10.000 Bäume
  • 100 km Radwege mit einer Breite von 3 m
  • 290 km Gehsteige um 1 m verbreitern”
Freie Parkplätze jetzt aktiv umgestalten

“Die Ausweitung des Parkpickerls ist eine einmalige Chance zur Flächenumverteilung, die aktiv genutzt werden muss”, sagt Barbara Laa, Sprecherin von Platz für Wien. Noch sind in erster Linie 76.000 freie Parkplätze entstanden, nicht mehr Platz im öffentlichen Raum für Fußgänger*innen, Radfahrende und Bäume und vieles mehr, das die Lebensqualität einer Millionenstadt ausmacht. “Diese freigewordenen Flächen können und müssen durch aktiv gesetzte Umgestaltungsmaßnahmen für Verbesserungen im Fuß- und Radverkehr, für Aufenthaltsbereiche und zur Klimawandelanpassung genutzt werden.”

“Wir fordern die Stadtregierung und alle betroffenen Bezirke auf, jetzt mit der Umsetzung von Begleitmaßnahmen zu beginnen, sonst wird die Parkpickerlausweitung als riesengroße, verpasste Chance in die Wiener Verkehrsplanungsgeschichte eingehen”, mahnt Platz Für Wien-Sprecher Ulrich Leth rasches Handeln ein. Dafür sollte Verkehrsstadträtin Sima nicht nur das Personal ihrer Ausstellungs- und Kontrollabteilungen fürs Parkpickerl aufstocken, sondern auch ihre Planungsabteilungen MA 28 und 46. Am 31. März wird Platz Für Wien die Verkehrsstadträtin zum Gespräch treffen, um unter anderem dieses dringende Thema anzusprechen.

Maßnahmen müssen jetzt beginnen

Damit diese einmalige Chance durch die geplante Parkpickerlausweitung genutzt werden kann, müssen jetzt unmittelbar nach der Einführung die nötigen Begleitmaßnahmen umgesetzt werden, um die Versprechen der SPÖ Wien von 100km Radwegen und 290km Gehsteigverbreiterung einhalten zu können, ganz im Sinne der Forderungen von Platz für Wien. Dafür bieten sich folgende Maßnahmen v.a. in den Bezirken Favoriten, Simmering, Hietzing, Penzing, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing an:

  • Herstellung ausreichender Durchgangsbreiten auf allen (!) Gehsteigen durch Ummarkieren von Schräg- und Querparkplätzen auf Längsparkplätze und durch Verlegung von Gehsteigparkplätzen auf die Fahrbahn
  • Flächendeckende Öffnung aller Einbahnen für den Radverkehr durch Herstellung von Ausweichbuchten bzw. Entfall von Parkspuren
  • Herstellung von baulich getrennten Radwegen auf allen Hauptstraßen durch Entfall von Fahr- oder Parkspuren (vorläufige Umsetzung mittels Pop-up-Radwegen)
  • Massive Ausrollung von Klimawandelanpassungsmaßnahmen: z.B. statt jedem 3. Parkplatz wird ein Baum gepflanzt
  • Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Freimachen der 5m-Zonen vor Kreuzungen von geparkten Autos
Bei Versäumnis verpufft die Parkpickerl-Wirkung

Die Effekte, die nach der Einführung des Parkpickerls in einem Bezirk oder Bezirksteil eintreten, folgen immer dem gleichen Muster, falls keine schnellen Maßnahmen ergriffen werden:

  1. Das Parkpickerl wird eingeführt.
  2. Einpendler*innen kommen nicht mehr mit dem Pkw, wodurch die Auslastung der Parkplätze im öffentlichen Raum im Bezirk schlagartig abnimmt und ganze Straßenzüge leer stehen.
  3. Die Bezirks- und Stadtpolitik ist völlig überrascht von der Wirksamkeit der Maßnahme und hat keine Pläne zur Umnutzung des freigewordenen öffentlichen Raums in der Schublade.
  4. Die Bezirksbewohner*innen, die aufgrund der Parkplatzknappheit einen Garagenplatz hatten, geben diesen auf und stellen ihre Fahrzeuge mit dem neuen, günstigen Parkpickerl im öffentlichen Raum ab.
  5. Die Bezirksbewohner*innen, die eine nun leere Garage haben, vermieten sie an Pendler*innen. Die jeweiligen Autos haben Plätze getauscht.
  6. Ein beträchtlicher Teil der Wirkung des Parkpickerls verpufft: der öffentliche Raum wird wieder großteils zugeparkt (diesmal von Bewohner*innen-Kfz); Garagen leeren sich; für alternative Nutzungen des öffentlichen Raums ist wieder kein Platz.
Nach der Ausweitung ist vor der Reform

Auch eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung kann nur ein erster Schritt für ein zukunftsfähiges System sein. “Das aktuelle System mit bezirksweiten Geltungsbereichen war für die kleinen Innenbezirke konzipiert. In den Flächenbezirken führt es zu vermehrten Autofahrten innerhalb der einzelnen Bezirke”, erinnert Platz für Wien-Sprecher Ulrich Leth die Stadtregierung an die bekannten Schwächen des Systems. Die Regierung selbst hat sich im Koalitionsabkommen zu einer Reform bekannt und im neuen Klimafahrplan der Stadt Begleitmaßnahmen wie etwa eine Erhebung der bestehenden Garagenplätze und deren Auslastung angekündigt. Einen konkreten Umsetzungszeitraum gibt es jedoch vorerst noch nicht.

 

Fotocredit: Sabine Hertel, das großartige Handtuch ist von Merlin Resch von Good Kids Bad Society